Tor der Eis-Engel
31.12.2020
2020 Jahresabschieds- und 2021 Willkommenszeremonie
im Schoß von Mutter Erde
Sie offenbart ihre Gegenwart demjenigen, der von ihrer Anwesenheit weiß und zudem kühn genug ist, den Weg zu ihr über einen steilen, gefrorenen Zugang zu bewältigen. Kraxeln auf Eis ist zunächst angesagt. Dann jedoch wird der Eingang zur Höhle offenbart. Ein überwältigender Anblick von Engeln aus Eis faszinierender Schönheit überrascht mich, die Besucherin der Höhle. Sind sie der Mühe Lohn und Begrüßung zugleich. Eis-Engel, die Wächter am Tor, hüten den Übergang vom eisigen Fels zum felsigen Raum. Bizarre und anmutige Wesen zugleich als beschützten sie den Zugang zum Innern des Berges vor ungebetenem Eindringen. Einem freudigen Wahrnehmen folgt meine andächtige Stille angesichts dieses winterlichen Gestaltungsspiels. Das formgebende Wasser rinnt oder tropft auch jetzt noch auf die erstarrten Wesen, die sich im Verlauf dieses Winters stetig verändern werden.
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Vorsichtig und ganz behutsam betrete ich das Höhleninnere. Die eben noch frostigen Temperaturen weichen einer feucht-kalten Luft, in der die Atemluft kondensiert. Die Kletterei über die Steine, meist rund geschliffen, erfordert meine gesamte Aufmerksamkeit. Ich suche wachsam und präsent ein Plätzchen tief im Innern des im Winter zugänglichen Bereiches der Höhle. Alsbald umschließt mich Mutter Erde im Bauch ihres Berges. So werde ich still, wie die Höhle Stille birgt und verbinde meinen Geist mit ihrer Seele. Geborgenheit abseits allen Weltgeschehens umfängt mich. Vergessen ist die Kälte um mich herum. Im Gegenteil, ich fühle schnell wohlige Wärme in meinem Innern aufsteigen. Diese Wärme fließt immer dann in mir, wenn ich mich im Fluss befinde. Noch vermag ich nicht genauer zu benennen, was dieses Fließen ausmacht. Vielleicht ist es das Eins-Sein in diesem Augenblick mit mir und der „natürlichen“ Umgebung, die mich umfängt. Mit „natürlich“ meine ich das, was vom Menschen wenig bis gar nicht beeinflusst wird. Ganz sicher aber ist es der Fluss des Lebens selbst, den ich in bestimmten Augenblicken meines Daseins spüren kann.
Die Zeit vergeht. In völliger Dunkelheit und Stille verliere ich jegliches Gefühl dafür. Lediglich das Geräusch unsteter Tropfen von den Felswänden kann ich vernehmen, zumal diese Laute tief im Innern der Höhle auf eine Wasserfläche treffen. Pitsch, platsch, pitsch-pitsch- pitsch, platsch-platsch. Es ist dies das Eintauchen in einen Höhlensee, welcher gespeist wird vom Wasser einer unterirdischen Quelle, die nur im Winter fast gänzlich versiegt und so den Zugang zur Höhle überhaupt ermöglicht. Im Frühjahr zur Schneeschmelze ist die gesamte Höhle geflutet von Wasser, das brausend und tosend aus dem Tor herausdrängt und sich gurgelnd abwärts zu Tal ergießt.
Aber jetzt bleiben von all der geballten Wasserkraft anderer Jahreszeiten nur diese vereinzelten Tropfen und die glatte Oberfläche des völlig ruhigen Sees unterhalb meines Felsens, auf dem ich hockend dieser Stille lausche.
Nach einer Zeit des Meditierens und Ankommens beschließe ich meine Lichter- und Kräuterzeremonie durchzuführen als Dank für die Gaben des vergangenen Jahres und als Gruß an das kommende. Der Dank verläuft überraschend friedlich trotz all der Turbulenzen, die 2020 mit sich brachte. Das Willkommen jedoch zeigt die geistig anstehenden Bemühungen unsererseits. Ich fühle geradezu die Aufforderung an uns, ja auch ganz direkt an mich gerichtet, sich mit all der liebevollen Kraft des eigenen Herzens einzugeben. Mehrmals im Verlauf der Zeremonie werde ich aufgefordert, lichtvoll in den Prozess einzugreifen. Und mehr noch, ganz im Vertrauen auf die lichtvollen Kräfte in uns und um uns herum, fühle ich in der Gegenwärtigkeit Gottes ruhend, was von uns erwartet wird:
In allem, was wir tun und was auf uns zukommt, werden wir aufgefordert, als ein "Wir" zum Wohle aller zu agieren und sich dessen stets bewusst zu sein.
Ich werde dieser Wahrnehmung zu gegebener Zeit ein eigenes Kapitel widmen.
Mit dem äußerst überraschenden Ablauf einer sehr interaktiven Zeremonie bleibe ich fasziniert und berührt zugleich noch eine ganze Weile auf diesem zum Altar umfunktionierten Felsen sitzen. Als ich dann intuitiv beginne, alles Wachs des kommenden Jahres zusammenzugießen, zeichnet sich urplötzlich eine kristalline Blume auf dem Felsen ab. Diese beginnt, wie von göttlicher Hand geführt, sich ganz allmählich über den gesamten Felsen und damit symbolisch über das gesamte kommende Jahr zu verteilen. Lichtvolle Linien lassen eine Art Lebensblume erblühen auf dem felsigen Untergrund dieser Quellhöhle im Schoß von Mutter Erde dem Bauch des Berges.
Ich beginne in diesem besonderen Augenblick des lichtvollen Fließens die Wesen aller Elemente anzurufen: Wasser, Feuer, Erde, Luft und den Spirit, also das geistige Element. Während ich gerade den Luftgeist bitte, passiert das Unglaubliches. Ein tiefes dröhnendes Glucksen röhrt durch die Höhle und lässt Luft aus verborgenen Teilen der kilometerlangen Tiefe der Höhle an die Oberfläche des Sees aufsteigen. Durch diese niemals zuvor vernommenen Laute ein wenig verwirrt und überrascht, benötige ich einen Moment, um mich der Gegenwart des Luftwesens anzuvertrauen. Dann fahre ich mit der Zeremonie fort, sehe wie das Feuer auf dem Felsen (Symbol für Erde) fließt umgeben vom Wasser der Quelle und der Luft im Raum der Höhle. Alles ist angefüllt mit Geistigkeit. Mächtig vom Geschehen beeindruckt warte ich solange ab, bis auch das letzte Licht der Zeremonie erlischt.
Dann steige ich im Schein meiner Kopflampe hinab zum glasklaren See. Am steinigen Uferrand verweilend labe ich mich am Wasser der Bergquelle, bitte um Beistand für uns Menschen und sammle ganz viel Kraft für die in 2021 zu bewältigenden Aufgaben. Nachdem mich große Dankbarkeit erfüllt hat, diesem heiligen Ort so innig verbunden sein zu dürfen, beschließe ich letztendlich wieder hinauf zu steigen zum Felsenaltar, um dann die Höhle durch das Engel-Tor wieder zu verlassen.
Draußen angekommen ist es noch hell. Und so klettere ich schnell den Eisfelsen hinab und begebe mich stapfend durch den Schnee auf den Heimweg. Eine tiefe Zufriedenheit und selige Entspannung kommen über mich. All die Unruhe der letzten Tage dieses ausgehenden Jahres weicht einem Gefühl von Geborgenheit. Möge uns diese Geborgenheit das kommende Jahr über begleiten und Schutz, Kraft, Eingebung und Zuversicht geben.