Foto: Wunscheiche 15.11.20

Herz-Lichttor

Engel der Wunscheiche

 15.November 2020


An einem wunderschönen milden Novembersonntag durchstreife ich das Bruch südlich von Wieckenberg. Eines meiner Ziele ist die Wunscheiche - so habe ich sie in meiner Kindheit getauft - ganz in der Nähe des Flusses Wietze, der bei dem Dorf Wietze in die Aller mündet.
Streng genommen ist dieser Baum nicht einer, sondern besteht aus zwei Baumarten, einer vielen hundert Jahre alten Eiche und einer erheblich jüngeren Erle. Genauer betrachtet ist er eine Trinität, denn die Eiche ist von Beginn an selbständig in zwei Teile gewachsen. Dieser Trinität sieht man an, dass sie ein Hutebaum ist - Hut kommt von Hüten - mit überraschend geduckter Krone, einem Stamm mit einem Umfang in Brusthöhe von fast 8 m. Man braucht schon mehr als 200 Schritte, um den gesamten Baum  zu umrunden. Ein mächtiger Solitärbaum also, ein Relikt einer durch Beweidung vernichteten ursprünglichen Bewaldung. Auf einer dauerhaft extensiv genutzten Weide erinnert der Hutebaum so an die lange Tradition von Beweidung der Laubwälder während der Vegetationsperiode und steht daher auch unter besonderem Schutz.

Viele meiner Geschichten sind dieser Wunscheiche gewidmet. Die heutige Begegnung ist demnach eine sich wiederholende Verbindung mit dieser Trinität, die ich so gerne eingehe. Die Erle zeigt starke Spuren der Vergänglichkeit, sichtbar an ihrem leicht ausgehöhlten Grundstamm, bröselig und porös ragt dieser mittig aus dem Doppelbaum in die Höhe. Es ist ein Tor, dem ich ein eigenes Thema gewidmet habe.

Lange verweile ich an diesem Tag auf der Wunscheiche und in deren Nähe. Dann entsteht die Idee einen Film, eine kleine Dokumentation des Herbstes 2020 zu drehen, denn fotografiert habe ich den Eichbaum zu allen Jahreszeiten über die Jahrzehnte hinweg. Bei diesem Gedanken verfalle ich in meditative Bewunderung und Erstaunen kaum, dass ich meine Kamera zücke, um den Plan in die Tat umzusetzen. Das orangegelbe Licht der tief stehenden Sonne, die ockergelben Eichenblätter, von denen sich ein Großteil bereits unter dem mächtigen Baum versammeln teils aber noch am Baum hängen, aber mir stetig um die Ohren segeln, lassen ein mir vertrautes Geborgenheitsgefühl aufsteigen. Die Luft ist erfüllt mit Wärme, obwohl der Novemberwind die Temperaturen der letzten Tage hat stark absinken lassen. Ich fühle eine andere Art von Wärme verbunden mit großer Dankbarkeit an die Schöpfung, verstärkt durch das Blau des Himmels, das durch die Regenfälle der letzten Wochen wieder ergrünte Gras der Weide, die bunte Laubfärbung rings um mich herum. Auch sind es die weiteren riesigen Bäume, die diese Weide umgeben, auf der meine Wunscheiche thront. Nicht zuletzt ist sie es selbst, die Wunscheiche, ein einziges Kraftpaket, das in Würde die Jahrhunderte überdauert hat und mich teilnehmen lässt an der Beständigkeit im Wandel der Veränderung. 

Ich fühle mich geborgen in Gottes Schöpfung. Die gesamte Umwelt um mich herum scheint sich mit diesem Gefühl verbinden zu wollen. Ist es da nicht folgerichtig, dass während meiner Aufnahmen in der glücklichen Einswerdung mit der Schöpfung ein Lichtwesen inmitten der Eiche erstrahlt? Ja mehr noch, der Baum formt mit seinen Ästen ein Herz, welches förmlich das Zentrum des Baumengels bildet. 
Ein Herz-Lichttor ist geboren.